Samstag, 23. Juni 2012

Charakterisierung Jean-Baptiste Grenouilles


Charakterisierung Jean-Baptiste Grenouilles
In seinem Roman „Das Parfum“ entführt Patrick Süsskind seine Leser in eine ganz andere Welt. Oder besser gesagt, er zeigt seinen Lesern die Welt aus einer anderen Sicht, der Sicht des Duftes. Dazu erschafft er eine Hauptfigur, den Protagonisten Jean-Baptiste Grenouille, dessen wichtigstes Organ seine Nase ist.
Jean-Baptiste Grenouille wird am 17.Juli 1738 auf dem Pariser Fischmarkt geboren. Da seine Mutter davon ausgeht, wieder einmal ein totes Kind zu Welt gebracht zu haben, lässt sie ihn einfach unter dem Schlachttisch (S. 9) liegen. Aufgrund dieser Straftat wird sie kurz nach seiner Geburt hingerichtet und das Kind wächst im Waisenhaus auf.
Grenouille wird als eher unscheinbar beschrieben. Vermutlich möchte Süsskind dadurch erreichen, dass der Leser sich mehr auf dessen Wahrnehmungen konzentriert. Er hat aufgrund einiger Krankheiten vor allem im Gesicht (S. 27) viele Narben, Schrunden und Grind, und ein leicht verkrüppelten Fuß (S. 26)lässt ihn hinken. Sein Hauptorgan, die Nase sieht von außen betrachtet wie eine knollige Altmännernase (S.105) aus und seine Hände sind wegen der vielen harten Arbeit klobig geworden. Um zu betonen, dass er seine Augen eigentlich nicht benötigt, beschreibt Süsskind diese als Augen von einer unbestimmten Farbe, zwischen austerngrau und opal-weiß-cremig und mit einer Art Schleier überzogen (S. 22). Grenouille  ist nicht besonders groß, stark oder gutaussehend, allerdings aber auch nicht so extrem hässlich, dass man sich vor ihm erschrecken müsste (S. 31).
Schon als Säugling „erwacht Grenouille zuerst mit der Nase“. Keine seiner Ammen will ihn lange bei sich behalten, er ist den Menschen unheimlich und viele haben Berührungsängste. Außerdem sei er gierig und „pumpe die Ammen leer“ (S. 11). Seine vierte Amme meint sogar er sei ein „Kind des Teufels“ (S. 15), weil er keinen Eigengeruch besitzt. Man könnte aber wirklich meinen, dass er „kein richtiger Mensch“ ist, weil er zum Beispiel die Erstickungsversuche seiner Mitgefährten, mit denen er bei Madame Gaillard im Waisenhaus aufwächst, einige lebensgefährliche Krankheiten (wie die Masern, Ruhr, Windpocken oder die Cholera), einen Sechsmetersturz in einen Brunnen und die Verbrühung der Brust mit kochendem Wasser überlebt (S. 27). Insgesamt ist er also sehr resistent und genügsam (S. 27). Ein minimales Quantum an Nahrung und Kleidung genügen ihm, er verträgt sogar das faulste Gemüse und verdorbenes Fleisch (S. 26/27). Genauso macht es ihm nichts aus, tagelang wässrige Suppen zu essen oder die dünnste Milch zu trinken.
Dass er sich nur auf seine Nase  und kaum auf die Wahrnehmung seiner Augen verlässt  ist daran zu erkennen, dass er keine kindliche Angst vor der Dunkelheit hat und sich auch ohne Licht zurecht findet, ohne etwas umzustoßen oder zu stolpern (S. 36). Mit seiner immer schärfer und präziser riechenden Nase wittert er Dinge durch Papier, Stoff, Holz, Wände und geschlossene Türen hindurch (S. 36).
Jean-Baptiste lebt in sich selbst verkapselt (S. 29) und wird deshalb als „Zeck“ (S.27) bezeichnet. Heutzutage würde man ihn vermutlich als autistisch und beziehungsunfähig bezeichnen. Im Buch wird er des öfteren mit Tieren verglichen, die dem Menschen unangenehm sind und die sie als ekelerregend empfinden. So sei er zum Beispiel wie eine Kröte (S. 17) oder eine schwarze Spinne (S. 99) und schon allein sein Name „Grenouille“ kommt vom Französischen und bedeutet „Frosch“.
Er redet nur, wenn es der Umgang mit anderen Menschen unbedingt erforderlich macht (S. 34). Die menschliche Sprache ist für ihn sowieso nicht richtig begreiflich und so lernt er nur die Wörter zu den Dingen, die einen Geruch haben. Mit Zeitwörtern, Adjektiven und Füllwörtern „hat er es weniger (S. 31)“, und er weiß sie nicht zu verwenden.
Schon von der Geburt an bekommt er nie viel Liebe oder Mitgefühl, verlangt aber auch nicht danach. Bis auf die wenigen Momente, in denen er den Geruch seiner Opfer vernimmt, wird er als gefühlloser Mensch beschrieben, der weder Geborgenheit, Zuwendung, Zärtlichkeit noch Liebe (S. 28) für seine Seele benötigt.
Grenouille hält sich abseits und fällt weder durch sein Fehlen, noch durch großartige Anwesenheit auf.Er ist aber auch nicht aggressiv, hinterhältig oder provozierend (S. 230/31). Alles in allem ist er also weder ein Gesellschaftsmensch, noch ein Gefühlsmensch und auch niemand, der besonders auf seine Karriere bedacht ist. Er setzt es sich zwar als Ziel der größte Parfumeur aller Zeiten (S. 138f und S. 246) zu werden, doch ihm geht es dabei nicht ums Geld. Er macht alles nur für sich selbst. So fordert er beispielsweise keine Lohnerhöhung bei Druot, als er später nahezu alles alleine macht. Er gibt seinem Arbeitsgeber das Gefühl dessen Hilfe zu benötigen, obwohl er selbst davon überzeugt ist, von keinem Parfumeur der Welt etwas lernen zu können (S. 121).
Einige Ereignisse, wie zum Beispiel sein erster Mord am 1. September 1753 oder die schockierende Erkenntnis seines fehlenden Eigengeruchs in der Höhle sind bedeutend für den weiteren Verlauf seines Lebens. An diesem 1. September 1753 erkennt Jean-Baptiste, als er den Duft des Mädchens wahrnimmt, sein wahres und einziges Lebensziel: er möchte diesen Duft in konservierter Form besitzen. Von dieser Idee völlig besessen glaubt er, dies würde ihn auch zum größten Parfumeur aller Zeiten machen. Dies ist einer der wenigen Tage, an dem auch Jean-Baptiste Grenouille einmal Gefühle verspürt. Er findet sich in einem Gefühlschaos wieder, fühlt sich zunächst hilflos (S. 52) und ist überzeugt, dass sein Leben ohne den Besitz des Duftes keinen Sinn mehr machen würde (S. 55). Nachdem er allerdings hat, was er möchte, überfällt ihn ein starkes Glücksgefühl.
Der Wunsch selber nach etwas zu riechen, in die Menge einzutauchen und als Mensch wahrgenommen zu werden macht ihn so besessen, dass er bei der Verwirklichung seines Wunsches keine Rücksicht auf Verluste nimmt oder moralisch Bedenken hat. Wahrscheinlich hilft ihm dabei aber auch seine charakteristische Boßhaftigkeit, sein ausgeprägter Trotz (S. 28), seine Ausdauer, aber auch seine Schlauheit und sein Talent.
Doch als Grenouille dann sein Lebensziel erreicht und das Parfum aus dem Geruch von den 24 hübschesten Mädchen erstellt hat, merkt er, dass er sich getäuscht hat. Die Menschen lieben den Duft, nicht Grenouille als Person. Nun empfindet er nur noch Hass, Abscheu und Ekel (S. 305) für seine Mitmenschen und ihm wird klar, dass er sich nicht selbst über seine eigene Geruchslosigkeit hinwegtäuschen kann. Er stirbt letztendlich an seinem  Parfum, von dem er verherenderweise erst zu spät merkt, dass er der Einzige ist, für den es sinnlos ist (S. 317). So wird er von Menschen zerrissen und verspeist.
Nach den Schilderungen Süsskinds hält der Leser Grenouille für verrückt, vielleicht sogar auch für auf eine bestimmte Art böse. Da niemand eine Nase, wie sie Jean-Baptiste hat, besitzt, sind seine Wünsche auch schwer nachvollziehbar. Aber wie würden wir reagieren, hätten wir einen so ausgeprägten Geruchssinn?
Von Patricia 

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