Dienstag, 26. Juni 2012

Charakterisierung: Anne Frank


Charakterisierung: Anne Frank



Anne Frank (*12. Juni 1929; † März 1945) ist ein jüdisches Mädchen, das nach der Machtübernahme Hitlers, mit ihrer Familie in die Niederlande auswandert. Nachdem die Wehrmacht die Niederlande einnimmt, versteckt sich die Familie Frank ab 1942  mit weiteren Juden im Hinterhaus von Otto Franks Marmeladenfabrik, bis sie im August 1944 von der Geheimpolizei entdeckt wird. Mit Ausnahme des Vaters sterben alle Untergetauchten. Während der Zeit im Hinterhaus schreibt Anne Tagebuch.
In der Zeit, die das Tagebuch abdeckt, ist Anne anfangs etwa 13, am Ende 15 Jahre alt. Sie ist für ihr Alter normal groß und eher schlank. Ihr Haar trägt sie meistens schulterlang; es ist dunkelbraun und lockig. Anne hat ein herzförmiges Gesicht mit einem spitzen Kinn und etwas breiten Wangenknochen. Ihre Augen sind dunkelbraun, Anne hat öfters geschwollene Tränensäcke. Außerdem ist sie immer gut gekleidet und achtet sehr auf ihr Äußeres.
Da die Familie Frank sehr wohlhabend ist und zur gehobenen Mittelschicht gehört, wächst Anne in einer guten sozialen Situation auf; der Vater ist Direktor und Mitgründer einer niederländischen Gesellschaft zur Marmeladenherstellung, die Mutter ist, der Zeit gemäß, Hausfrau. Auch nach der Emigration in die Niederlande lebt die Familie weiterhin gut. Während dieser Zeit besucht Anne zuerst die Grundschule und dann ein jüdisches Gymnasium. Nach der Invasion von 1940 werden die Rechte der niederländischen Juden immer weiter eingeschränkt. Ab diesem Zeitpunkt verschlechtert sich die soziale Situation immer weiter; die Familie muss untertauchen. Nach der Festnahme landen alle Untergetauchten in diversen Konzentrationslagern. Somit hat die soziale Situation ihren Tiefpunkt erreicht.
Annes äußeres Verhalten ist, v.a. vor dem Untertauchen, das eines glücklichen und zufriedenen Menschen. Sie ist fast die ganze Zeit über fröhlich, dies sieht man v. a. auf den zahlreichen Bildern, es geht jedoch auch aus den Berichten von Zeitzeugen hervor. Sie wirkt unbekümmert, ist teilweise auch frech, flirtet mit Jungen und ist auch nach eigenen Angaben, besonders in der Schule, sehr „verschwatzt“ (S.24). Wie sie am Anfang des Tagebuchs berichtet, ist sie in der Schule immer beliebt, macht gern Späße und steht fast immer im Vordergrund. Neben dem Tagebuchschreiben hat Anne auch noch zahlreiche andere Gewohnheiten. Wie schon erwähnt, achtet sie sehr auf ihr Äußeres und ist somit viel mit Kosmetik beschäftigt. Ihr besonderes Interesse gilt Filmen, Büchern und Adelshäusern, über die sie immer gut informiert ist und auch gerne diskutiert. Vor dem Untertauchen unternimmt Anne viel mit Freundinnen, sie bedauert jedoch, dass sie keine „richtige Freundin“ hat. Deshalb schafft sie sich auch ihre fiktive beste Freundin „Kitty“, an die sie ihr Tagebuch schreibt. Anne bewegt sich allgemein auf einem relativ hohen Sprachniveau, sie verwendet nur selten richtige Schimpfwörter, ist jedoch, indem was sie schreibt, nicht, wie sie es selbst nennt, prüde. Allgemein ist Anne ein intelligentes, wenn aber auch oft hartnäckiges und verwöhntes Mädchen mit einem großen literarischen Talent. In ihrer Verhaltensweise ist sie eher konsequent. Jedoch neigt sie dazu, andere Personen sehr hart und subjektiv zu bewerten, was man sehr gut am Anfang des Tagebuches sieht, wo sie eine Beschreibung ihrer Klasse macht (S.15-17), und verhält sich dementsprechend auch teilweise arrogant.
Das psychische  Verhalten von Anne weicht oft sehr von ihrem äußeren Verhalten ab. Besonders gegen Mitte der Zeit im Hinterhaus und gegen Ende weint Anne öfters heimlich und ist unglücklich. In einem Tagebucheitrag, der auf das Jahr 1943 zurückschaut, schreibt sie von „Heulanfällen“, Einsamkeit und dem „langsame[n] Einsehen der Fehler“ (S.204). Auch schreibt sie davon, dass sie reifer wird, letztendlich aber doch eine Rolle spielt. Anne fühlt sich oft missverstanden und nicht ernst genommen, auch von den eigenen Eltern, besonders aber von der Mutter. Deshalb wünscht sie sich des Öfteren eine andere Mutter, Schwester, etc. ; Personen, mit denen sie reden kann und die sie verstehen. Auffällig ist auch, dass Anne, obwohl sie nicht fantasielos ist, Probleme hat, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Außerdem kann sie Anderen meist nicht vergeben, selbst wenn es sich dabei um Bagatellen handelt. Somit lehnt Anne z.B. einmal den Versuch ihrer Mutter ab, ihre Beziehung wieder etwas aufzubauen. Zwar schreibt sie, dass sie „etwas Schreckliches“ in ihrem „Sündenregister“ stehen habe (S.101) und fühlt sich somit auch schuldig, jedoch bleibt sie in solchen Situationen meist konsequent und hart.
Annes emotionales und soziales Verhalten ist zwar von Person zu Person verschieden, im Allgemeinen aber eher schwierig und negativ. Eine der wenigen Personen, zu der sie eine richtig gute Beziehung hat, ist ihr Vater. In einem Nachtrag von 1942 schreibt sie, dass er sie „vollkommen versteht“ (S.24). Ihr Vater nimmt sie oft in Schutz und versucht, Konflikte zu vermeiden, als kleines Kind verwöhnt er sie, auch nach eigenen Angaben, oft. Zu ihrer Mutter hat Anne ein eher schlechtes Verhältnis, das aber von Zeit zu Zeit etwas verschieden ist. Wie oben erwähnt, meint Anne, dass ihre Mutter sie nicht verstehen würde. Nach einem Streit schreibt sie, dass „die Liebe zwischen“ ihnen „wirklich verschwunden“ sei (S.102). Das Verhältnis zu ihrer Schwester ist v. a. zeitlich bedingt. Manchmal ist sie eifersüchtig auf Margots gute Schulnoten oder meint, die Eltern würden Margot bevorzugen. Andererseits  versteht sie sich manchmal auch sehr gut mit Margot und führt vertrauliche Gespräche mit ihr. Annes Beziehung zu Peter van Pels ist wohl eine der prägendsten während der Zeit im Hinterhaus. Während sie Peter am Anfang eher distanziert betrachtet, kommt sie ihm mit der Zeit immer näher. Wichtig hierbei ist, dass Peter der einzige Junge und mit Margot der sonst einzige Jugendliche im Versteck ist. Durch Gespräche, die sie mit den Erwachsenen nicht führen kann, kommt sie ihm immer näher, bis sich am Ende eine Liebe daraus entwickelt. Somit ist Anne eine Zeit lang wieder eher fröhlich und ihr ganzes Denken wird von Peter beherrscht.Zu den restlichen Mitbewohnern hat Anne ebenfalls eine sehr schlechte Beziehung - besonders zu Frau van Pels, Peters Mutter. Allgemein kann man sagen, dass Anne die meist schlechten Beziehungen zu ihren Mitmenschen zwar erkennt und bereut, letztendlich aber doch keine großen Bemühungen unternimmt, diese zu verbessern. In einem der letzten Einträge schreibt sie, dass sie Angst habe verspottet, zu werden und dass sie es nicht wolle, dass die anderen sie „sentimental finden“ (S.312), was sie in diesem Fall auch als Rechtfertigung benutzt, nichts an der Lage zu ändern.
Natürlich muss man berücksichtigen, dass Anne sich während der oft sehr schwierigen Zeit im Hinterhaus stark verändert und dass deswegen auch nicht alle Eigenschaften, etc. auf wirklich jeden Zeitraum zutreffen. Somit leidet z. B. Annes fröhliches und unbekümmertes Gemüht sehr darunter. Der niedrige Lebensstandard sorgt dafür, dass sie bescheidener wird. Auch wird sie mit der Zeit v.a. im Denken, jedoch weniger im Handeln reifer. Annes Hauptproblem ist jedoch, dass sie zwei Leben führt. In ihrem letzten Eintrag schreibt von zwei Seiten; von einer „oberflächliche[n] Seite“ und von einer „andere[n] und schönere[n] Seite“ (S. 312). Letztendlich führt sie zwei Leben; ihr äußeres und ihr inneres Verhalten sind völlig unterschiedlich, was sie oft bedrückt und ihr die Zeit im Hinterhaus oft, aber nicht immer, schwer macht.
Über Annes Zeit im Konzentrationslager Bergen-Belsen ist nur sehr wenig bekannt. Es geht jedoch aus den Berichten von einigen wenigen Überlebenden hervor, dass Anne zwar psychisch und physisch sehr leidet, sich jedoch trotzdem noch sehr  aufopfernd um Margot kümmert. Das zeigt, dass Anne in schwierigen Situationen doch bereit ist, zu helfen und dass sie ihre Haltung vom Ende des Tagebuches auf eine gewisse Art doch aufgeben kann und sich ändert. Anne stirbt Anfang März 1945, kurz vor Kriegsende, an Typhus.



Hinweis: Alle Seitenangaben beziehen sich ausschließlich auf die Ausgabe „Anne Frank Tagebuch“ des Anne
                    Frank-Fonds, Basel, die 1991 überarbeitet und mit einem Vor-und Nachwort beim Fischer Verlag
                     erschienen ist.




                                                                                                                                                                    von David Stolz

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